5 Fragen an Alexander Graeff

In der Reihe „5 Fragen an…“ stellen wir Berliner LiteraturaktivistInnen vor. Ob AutorInnen, VerlegerInnen, VeranstalterInnen – mit uns sprechen sie darüber, was sie antreibt, was sie umtreibt und was sie überhaupt dazu bringt, sich literarisch zu engagieren.

Gab es für dich einen Schlüsselmoment, der dich zum Schreiben brachte – wann und wie ist der Funke übergesprungen?

Bei mir war es weniger ein Blitz, der mich zum Schreiben brachte. Eher eine Wolke, die schon sehr früh über mir hing und vereinzelt auf mich herabregnete. Das äußerte sich damals in ersten Schreibversuchen, meist Imitationen, vielleicht mit 16 oder 17. Der Platzregen trat dann später ein. Mit 22 wurde ich gepackt, eigene Texte, meist Essays, zu produzieren und mein Wirtschaftsstudium aufzugeben, um diese Essays immer und immer wieder zu überarbeiten.

So gesehen, keine Initialzündung, kein Schlüsselmoment, es war wirklich diese Wolke, ein atmosphärisches Tiefdruckgebiet – eine Störung meines damaligen Schienenlebens –, das mich zum Schreiben brachte.

Du hast einen pädagogischen sowie philosophischen und künstlerischen Hintergrund. Wie beeinflussen die jeweiligen Disziplinen dein literarisches Arbeiten?

Die jeweiligen Hintergründe färben aufeinander ab, wobei sie im Kern nicht so unterschiedlich sind. Für mich besteht meine Tätigkeit, ganz gleich was ich tue, ob als Schriftsteller, als Wissenschaftler, als Dozent für praktische Philosophie (worunter ich Ethik, Ästhetik und Pädagogik rechne) oder als Literaturveranstalter, immer in einer Betätigung vom Menschen aus gedacht und für die Menschen getan. So ist auch die Vernetzung dieser Hintergründe gewollt.
Dass mein wissenschaftliches, philosophisches und belletristisches Schreiben mit der Arbeit mit Menschen zusammengeht war aber nicht immer so. Sie mussten sich erst finden. Dass sie sich gefunden haben, ist meines Erachtens eine Frage der Methode, also wie man als Wissenschaftler, als Dozent, als Schriftsteller vorgeht. Das zeigt wiederum die praktische Philosophie, denn die Fragen der Ethik, Ästhetik und Pädagogik finden sich in jedem meiner belletristischen Texte. Und das ermöglicht dann auch eine wissenschaftliche Anknüpfung. Interdisziplinarität funktioniert da, wo das Subjekt im Zentrum steht, nicht irgendwelche Gegenstände.

Woher schöpfst du beim Schreiben Inspiration?

Aus dem Leben.

Du bist Initiator und Gastgeber der Lesereihe Literatur in Weißensee in der Brotfabrik. Was ist eure Grundidee, was ist euer Schwerpunkt?

Die Grundidee ist eine dialogische Lesung. Ich lade zu jeder Lesung einen literarischen Gast ein, mit dem ich über ein bestimmtes Thema spreche und wir dazu unsere Texte lesen. So entsteht ein Dialog der SchriftstellerInnen und vor allem ein Dialog der Texte. Der Schwerpunkt liegt auf zeitgenössischer, lebendiger Prosa und Lyrik.

Was fasziniert dich an der „literarischen Spielwiese“ Berlin?

Seit einiger Zeit kommt mir diese Spielwiese als ein recht kollegialer Ort vor, was ich begrüße. Die Berliner Literaturszene ist aber wie ein Bällchenbad. Wer drin ist, darf sich austoben, wer hinter der Glasscheibe steht, weil die Eltern einen nicht abgeben wollten, darf nur zugucken. Ich lebe seit 14 Jahren in Berlin und muss sagen, dass ich erst seit wenigen Jahren mitspiele, was sicher nicht an meiner Tätigkeit als Schriftsteller liegt, sondern eher daran, dass ich seit 2013 erst SchriftstellerInnen die Möglichkeit für Lesungen gebe. Die Literaturszene in Berlin kann einem, der von außen kommt, auch esoterisch erscheinen. Wie das Bällchenbad.


© Ute J. Krienke

Der Schriftsteller und Philosoph Alexander Graeff, 1976 geboren, studierte Wirtschafts-, Ingenieur-, Erziehungswissenschaften und Philosophie in Karlsruhe und Berlin. Zwischen 2008 und 2012 Promotion bei Heinz-Elmar Tenorth und Michael Parmentier zum Dr. phil. über Wassily Kandinsky als Pädagoge. Heute lebt und arbeitet er als freier Autor und Dozent für Ästhetik, Ethik und Pädagogik in Berlin. Alexander Graeff schreibt philosophische sowie belletristische Texte. Grundlage seiner philosophischen Arbeiten ist eine konstruktivistische Weltauffassung, existenzielle Lebenserfahrungen spielen dabei eine thematisch wichtige Rolle. Neben diversen Kollaborationen mit Musikern, bildenden Künstlern und Illustratoren ist Alexander Graeff auch Kurator und Gastgeber der Lesereihe Literatur in Weißsensee in der Brotfabrik.