Juliana Kálnay über Eine kurze Chronik des allmählichen Verschwindens

Kulturjournalist Michael Lösch im Gespräch mit der Autorin Juliana Kalnáy über ihren Debütroman.

Was war die treibende Kraft, die Motivation, diesen Roman zu schreiben?

Anfangs: Den Motiv- und Figurenideen zu folgen, um zu sehen, wohin mich diese schreibend hinführen. Später: Die Lust daran, das Haus zu bevölkern, Erzählfäden weiterzuspinnen und zu verknüpfen, aber auch „falsche Fährten“ zu legen. Und: Ein motivisch dichtes „Erzählgebäude“ zu konstruieren.

Verwandlung und Verschwinden scheinen die zentralen Leitthemen zu sein. Ist dem so und wenn ja, warum?

Tatsächlich sind beides zentrale Motive im Roman, die in unterschiedlichen Formen und Variationen immer wieder auftauchen. Warum ist eine gute Frage. Es war ja nicht so, dass ich eines Tages beschlossen habe, einen Episodenroman um das Verschwinden zu schreiben. Vielmehr ist mir im Laufe des Schreibprozesses irgendwann bewusst geworden, dass viele der Episoden um diese Themenfelder kreisen. Danach habe ich begonnen, bewusst mit ihnen weiterzuarbeiten.

Es geht schon früh los mit den bizarren Sachen, mit einem Ehemann, der sich in einen Baum verwandelt und mit in Achselhöhlen brütenden Rotkehlchen. Eigentlicher Protagonist scheint ja ein vor sich hin halluzinierendes Haus selbst zu sein und die Bewohner muten fast wie dessen Traumbilder an. Was erwartet den Leser da, auf wie viel „Fantasy“ sollte er sich einlassen? Bleibt noch etwas übrig von einer, sagen wir, „orientierenden Kraft des Realen“?

Ich würde zustimmen, dass das Haus selbst der heimliche Protagonist des Romans ist. Allerdings bin ich bisher nicht auf die Idee gekommen, dass es die Geschehnisse oder Bewohner selbst erträumt oder halluziniert. Das scheint mir selbst für die erweiterten Maßstäbe von Realität, die dieser Roman setzt, etwas zu weit hergeholt.

Der „Fantasy“-Begriff wirkt womöglich etwas irreführend. Damit assoziiert man ja meist Romane, die in einer anderen Welt spielen, die auch von fantastischen Wesen bevölkert wird. In meinem Roman ist es ja eher so, dass das Setting auf den ersten Blick unserer Welt nicht unähnlich scheint. Dann merkt man aber schnell, dass in dem Haus seltsame Dinge vor sich gehen. Es verschwinden Bewohner, ein anderer wird zum Baum… Die Geschehnisse im Haus scheinen einer eigenen, fantastischen Logik zu folgen. Und als Leser*in beobachtet man, wie die Figuren diese Geschehnisse zunächst einmal hinnehmen, und wird gefordert, dies ebenfalls zu tun.

Welche Kapitel bzw. welche Passagen sind für die Lesung ausgewählt worden? Wie lassen sie sich einordnen? Was verraten sie über die Bewohnern und  das, was sie umtreibt?

Es steht noch nicht zu 100% fest, welche Passagen ich lesen werde. In jedem Fall aber werden es welche sein, die einen Eindruck von der Atmosphäre des Romans vermitteln, von seiner Struktur und von den wichtigsten Figuren und Motiven.

Die Lettrétage dankt Juliana Kálnay herzlich für das Interview und lädt herzlich zur folgenden Veranstaltung ein:

Dienstag 07. Februar, 20:00 Uhr (Eintritt frei)
Eine kurze Chronik des allmählichen Verschwindens
Buchpremiere Juliana Kálnay